Distant Reading – Anwendung von Google Ngram Viewer

Wenn im DE-Unterricht auch «distant reading» thematisiert werden soll, kann es eine sinnvolle Aufgabenstellung sein, ein literarisches Werk mit dem Ngram Viewer zu analysieren. Das Tool ermittelt die Häufigkeit der Verwendung des Wortes in den letzten Jahrhunderten. Dabei kommt eine Datenbank, die aus von in Google indizierten Büchern besteht, zur Anwendung. Mithilfe dieses Analyseprogrammes kann man von einzelnen Wörtern z.B. bestimmen, ob sie zur Schreibgegenwart (oder heute) eher Anachronismen oder aber Neologismen waren.

Wenn man mit einer Schulklasse das Werk «Das Amulett» von Conrad Ferdinand Meyer von 1873 mit dem Ngram Viewer untersucht, kann man verschiedene Resultate erzielen. Es ist möglich, Wörter aus demselben Sachbereich gleichzeitig in die Suchmaske zu füllen (z.B. Protestant, Katholik, Hugenotte, Calvinist). So erhält man für jedes Wort Angaben zur quantitativen Verwendung und kann sowohl gemeinsame Peaks oder Unterschiede deutlich erkennen. Bei der Interpretation der Peaks ist aber Vorsicht geboten. Ein erster auffälliger Peak ist beim Wort «catholic» (die englische Datenbasis ist zuverlässiger als die deutsche!) um das Jahr 1530 zu finden. Eine Begründung auf historischer Ebene wäre, dass dies den Beginn der Reformation in Deutschland mit dem Mitwirken von Martin Luther ausdrückt. Auch beim Peak um 1650 kann man eine Übereinstimmung von «catholic» und «protestant» historisch begründen: Es ist dies der Westfälische Friede von 1648. Als zweite Eben sollte aber die editorische gesehen werden. Peaks entstehen nur, wenn Schriften publiziert werden, die die gesuchten Wörter verzeichnen. Beim ersten Peak dürfte das Erscheinen von Schriften wie z.B. «Leviathan» von Thomas Hobbes mitverantwortlich sein. Der Ngram Viewer listet auch Verweise auf, die darüber Auskunft geben, wo die Zielwörter gefunden worden sind.

Dem Nachteil, dass die Datenbank mit deutschen Wörtern weniger lückenlos ist als die englische, kann man teils damit begegnen, dass man deutsche Wörter einfach übersetzt. Allerdings sind viele Begriffe von C. F. Meyer wie «Wams», «Schweizer», «Fryburger» und «Amulett» nicht so einfach ins Englische übertragbar. Hier stösst das Tool an seine Grenzen.

Dieser Beitrag entstand unter Mitwirkung der Klasse 5d der KS Reussbühl.