Shutdown (to be continued…)

Weihnachten und Neujahr: die Festtage der Ruhe und Einkehr, der Besinnung, gefeiert im Kreise der Familie. Auf dem alten Kontinent sind diese Feiertage traditionell von geschlossenen Geschäften und Behörden und leeren Strassen in den Innenstädten geprägt. Heilig Abend, Weihnachtstag, Stephanstag, dann einige «normale» Arbeitstage, dann Silvester, Neujahr, Berchtoldstag, dann wieder ein paar schon etwas «normalere» Arbeitstage und nach Epiphanie (Dreikönigstag) ist es dann vorbei mit der weihnachtlichen Beschaulichkeit.

Die eine Woche «Winter Break» im Schulbetrieb hat mit dazu beigetragen, dass unser Haushalt auch in der neuen Welt in diesen typisch deutschschweizerischen Stand-By-Modus «zwischen den Jahren» versetzt wurde. Allerdings darf man sich nicht täuschen. Arbeitsfreie Tage waren eigentlich nur der 25. Dezember und der 1. Januar. Am 25. Dezember waren tatsächlich selbst «Starbucks»-Kaffees und «McDonald’s»-Restaurants geschlossen. Bei einem Stadtrundgang machte sich schon einmal die Angst breit, wo man jetzt noch einen offenen «Bathroom» finden könnte, würde man einen bestimmten Drang verspüren.

Abgesehen von diesen beiden Tagen aber waren die Geschäfte geöffnet, die Baustellen in Betrieb. Und auch die Politik machte keine Pause. Im Gegenteil! Gerne wäre der Präsident zwar über die Weihnachtsfeiertage nach Florida zum Golfen geflogen und hätte sich ein paar Tage wohlverdienter Ruhe gegönnt. Stattdessen hielt er einsam die Stellung im Weissen Haus und vertrieb sich die Zeit mit dem signieren von Gesetzen (Botschaft: «ich arbeite immer»), weihnächtlichen Telefonanrufen und der Fütterung seines Twitter-Accounts. Sein Verbleib im Weissen Haus über die Festtage hielt somit den gesamten Polit- und Medienbetrieb der USA (und weiter Teile der Welt) auf Trab. Nichts mit ruhigen Tagen zwischen den den Jahren.

 

Präsident Trump unterzeichnet am 21. Dezember 2018 Berge von Gesetzen und Verordnungen  [Quelle: offizieller Twitter-Account des Präsidenten, 8.1.2019]
Präsident Trump harrt auch am 24. Dezember 2018 unentwegt im Weissen Haus aus [Quelle: offizieller Twitter-Account des Präsidenten, 8.1.2019]
 

«Trump, home alone». Was wie das Remake eines weihnächtlichen Kassenfüllers aus den 1990-ern klingt (ironischerweise hatte Trump im Sequel von «Home Alone» einen Gastauftritt) hätte auch einen ähnlichen Unterhaltungswert würde es sich in diesem Plot nicht um die teilweise Lahmlegung eines nicht unerheblichen Teiles der Bundesbehörden handeln. Betroffen von diesem nun bereits siebzehn Tage dauernden Shutdown sind momentan neun von fünfzehn Ministerien oder gut fünfundzwanzig Prozent der bundesstaatlichen Dienstleistungen. 420’000 Angestellte arbeiten zur Zeit ohne Lohn, 380’000 Angestellte sind im unbezahlten Urlaub. Einwanderungsgerichte, Arbeitserlaubnisbehörden, die Steuerbehörden, Nationalparks, Museen sind stillgelegt.

 

Vom aktuellen teilweisen Shutdown betroffene Ministerien der USA [Quelle: PBS, 8.1.2019]

Die direkten Folgen bis jetzt: Familien haben keine Löhne mehr und können keine Rechnungen begleichen, Unternehmer können keine neuen Arbeitskräfte einstellen, Nationalparks versinken im Müll, Touristen bleiben weg, Bundesangestellte suchen sich andere Jobs. Je länger dieser Shutdown dauern wird, desto mehr werden dessen Folgen in der amerikanischen Gesellschaft und Wirtschaft zu spüren sein.

Nicht betroffen von diesem Shutdown sind übrigens die Löhne der ParlamentarierInnen und der Angestellten des Weissen Hauses.

 

So wie die «John F. Kennedy Presidential Library and Museum» in Boston sind zur Zeit viele Parks, Gedenkstätten und Museen von nationaler Bedeutung vom Shutdown betroffen, inklusive Auftritte im Internet und in den sozialen Medien  [Quelle: John F. Kennedy Presidential Library and Museum, 8.1.2019]

Ursache für diesen Stillstand: fünf Milliarden US-Dollar, welche der Präsident im Budget des Ministeriums für Innere Sicherheit (Homeland Security) vorgesehen hat für den Bau einer Mauer aka Befestigung aka Stahlbarriere an der Grenze zu Mexiko. Diese Mauer gegen Migranten aus dem Süden war ein zentrales Versprechen im Präsidentschaftswahlkampf Trumps 2016. Deren Finanzierung sollte nach seiner Ansicht Mexiko übernehmen.

 

«The Wall is Coming», angelehnt an «Game of Thrones» verkündet der Präsident, worum es in dieser Auseinandersetzung geht – und wer am Ende siegen wird [Quelle: offizieller Twitter-Account des Präsidenten, 8.1.2019]

Nun, da in Washington D.C. nach den Zwischenwahlen vom 6. November 2018 die Regierungsgeschäfte nicht mehr ungeteilt in den Händen des Präsidenten und der Republikanischen Partei liegen (Divided Government), hat es dieses Wahlkampfvehikel Trumps naturgemäss schwerer. Die Gewinnerin der Zwischenwahlen im Repräsentantenhaus, die Demokratische Partei, zeigt seit ihrem Machtantritt am 3. Januar 2019 keinen Willen, Trumps Mauerpläne mit Geld zu befüttern und damit seiner Sicht einer gelungenen Migrations- und Sicherheitspolitik zuzustimmen.

Als Reaktion auf die mehr und mehr ausweglose Situation hat das Weisse Haus auf den Abend des 8. Januar 2019 eine Ansprache an das amerikanische Volk angekündigt. Ob der Präsident in dieser Rede einen nationalen Notstand ausrufen wird, um die nötigen Gelder für die Mauer (oder was auch immer es dann sein soll) lockerzumachen (beispielsweise aus dem Budget des Verteidigungsministeriums) ist Teil der aufgeregten medialen und politischen Spekulationen.

Zweierlei steht im Hinblick auf diese Rede aus Sicht der politischen Kommentatoren der Zeitschrift «The Atlantic» in der Kritik – neben der ganzen Debatte um den Sinn und Unsinn einer Mauer:

  1. Soll ein Präsident den nationalen Notstand ausrufen um ein heftig umstrittenes Projekt seiner Administration umzusetzen?
  2. Soll die Rede des Präsidenten überhaupt live und ohne journalistische Begleitung ausgestrahlt werden, obwohl zu erwarten sein wird, dass sie höchst parteipolitisch gefärbt sein wird?

 

Illustration in der Zeitschrift «The Atlantic» zur bevorstehenden Rede des US-Präsidenten zur Sicherheit an den Grenzen [Quelle: The Atlantic, 8.1.2019]

Der erste Punkt ist explizit mit dem Modalverb «sollen» formuliert. Rechtlich darf der Präsident tatsächlich diese Macht ausüben. Umso heftiger wird im «The Atlantic» deshalb nun die Frage aufgeworfen, ob diese Rechte aus staatspolitischer Sicht nicht auch in einer bestimmten Form durch die Legislative und die Judikative kontrolliert werden müssten. Dies zumal bei einem Präsidenten, der sich nicht immer sattelfest in Bezug auf demokratische Prozesse zeigt. Das ansonsten gut austarierte US-System von Checks-And-Balances scheint momentan einem beachtlichen Stresstest unterworfen zu sein.

Der zweite Punkt ist eine medienethische Frage. Reden von US-Präsidenten an die Nation wurden nicht immer live übertragen. Letztmals geschah dies in der Präsidentschaft Barack Obamas im Jahr 2014. Damals wurde seine Rede zur Migrationspolitik nicht von allen Sendern live ausgestrahlt, weil sie als «zu politisch» betrachtet wurde. Ob die Umsetzung eines Wahlkampfversprechens (nun vom amerikanischen Steuerzahler, der amerikanischen Steuerzahlerin zu berappen), die auch in Fachkreisen heftig umstritten ist weniger «politisch» ist, kann zu Recht in Frage gestellt werden.

Ruhigere Zeiten lassen in der Präsidentschaft Trumps weiterhin auf sich warten.

 

Nachtrag I:

Trumps Rede, die Replik der Demokratischen Partei und die Analyse auf PBS.

 

Nachtrag II:

Trumps Rede erntete natürlich auch einige Beachtung in den Late-Shows. Eine kleine Auswahl davon:

 

 

 

 

 

 

Shutdown (to be continued…)
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