Anja Wegmann
Lehrperson für Deutsch und Theater
Wen hat es noch nie berührt oder amüsiert: das Bühnenschauspiel, hautnah und in Echtzeit? Wann haben wir schon im Alltag die Gelegenheit, Menschen beim Menschsein zuzuschauen, gebannt und ungestört? Das Schauspiel ist eine Kunstform, die alle unsere Sinne und uns in unserem Menschsein anspricht. Mögen böse Zungen die Filme, die wir auf Netflix oder im Kino ansehen, als Konsumgut oder Konserven bezeichnen – was wir auf der Bühne erleben, ist alleweil ungefiltert und jeder Augenblick einmalig. Theater ist nie digital, sondern eben live.
Ehekrach im Elfenwald: Elfenkönig Oberon, von seiner Gattin Titania gekränkt, lässt diese sowie den untreuen Athener Demetrius mit einem Liebessaft verzaubern.
Dem Publikum Gänsehautmomente zu bescheren, mag heimliches Ziel mancher Teilnehmenden des Freifachs Theater sein. Alle schätzen es aber gleichermassen, in die Haut einer anderen Person zu schlüpfen, ganz nach dem Motto Arthur Rimbauds: «Je est un autre». Niemand erwartet dabei, dass jede einzelne Schülerin, jeder einzelne Schüler sich als «Rampensau» hervortut. Das einzige Kriterium für die Kursteilnahme lautet: Offenheit. Das Freifach Theater ist ein Forschungslabor in 3D für experimentierfreudige Jugendliche.
Fehlgriff: Puck verteilt seinen Liebessaft falsch und sorgt für Liebeswirren mit einem Beinahe-Duell zwischen Demetrius und Lysander.
Im Einführungskurs TH1 lernen die Jugendlichen spielerisch die Toolbox des Theaters kennen: Körper – Raum – Stimme und Sprache. Die halbe Miete ist es, mit Warm-ups und Übungen die Spielbereitschaft der Lernenden zu wecken. Danach erproben sie Spielformen wie Improvisation, Pantomime, Statuen bauen, szenische Lesung und Musiktheater. Als Spielinputs dienen Gegenstände, Bilder, Orte, Tiere, Story Cubes, Gedichte oder Kurztexte. Was die Jugendlichen dabei lernen: Jede Figur hat eine Absicht und muss etabliert werden. Jede gute Geschichte hat einen Point of attack und – sehr beliebt – einen Point of holy shit.
Aus Jux und Dollerei: Puck verwandelt den Handwerker Zettel während einer Theaterprobe im Wald in einen Esel – in den sich nun Elfenkönigin Titania unsterblich verliebt.
Im Aufführungstheater TH2 erarbeiten die Schüler/innen ein abendfüllendes Stück, das sie im Frühling der Öffentlichkeit präsentieren. Erstmals unter der Regie von Anne-Christine Gnekow und Anja Wegmann brachten die diesjährigen 18 Schüler/innen William Shakespeares Komödie «Ein Sommernachtstraum» auf die Bühne. Sie zeigten eine beeindruckende schauspielerische Leistung und heimsten grosses Lob ein. Zu Recht. Nicht vergessen werden darf, wer ebenso massgeblich Anteil am Erfolg hatte: Für das Bühnenbild zeichneten Corina Lempen und Katja Wettstein (BG) verantwortlich, dies unter der tatkräftigen Hilfe des Hausdienstes. Die professionelle Licht- und Soundtechnik von Martin Brun Fish & Light wurde an den drei Abenden von einer Schülerin und einem Schüler (Riccardo Müller, Stine Walter) geführt. Das ästhetisch sehr gelungene Plakat entstand im Rahmen eines Unterrichtsprojekts von Gabriel Kuhn (BG) und der Schwerpunktklasse L22bKb.
Happy End: Alle Liebespaare finden wieder zusammen, und an der herzoglichen Hochzeit in Athen beeindrucken die Handwerker mit ihrem Theaterstück «Pyramus und Thisbe».
«Um es endlich einmal herauszusagen, der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.» Die Jugendlichen werden diese berühmten Worte Friedrich Schillers vermutlich kaum kennen. Doch dass die Worte wahr sind, wissen sie sehr wohl. Ein Projekt wie «Ein Sommernachtstraum» verlangt ihnen darüber hinaus einiges ab: einen langen Atem, Verantwortungsbewusstsein, Leidenschaft und Disziplin. Kurz: Commitment und Team Spirit. All dies wird am Ende belohnt: mit einem tollen Erfolgserlebnis, mit Freundschaften und bleibenden Erinnerungen.