Roland Reichmuth und Martin Felder
Lehrpersonen des Ergänzungsfaches Philosophie
Wir behandelten im Ergänzungsfach Philosophie erkenntnistheoretische Grundlagen und Basistexte aus der Philosophie des Geistes, die im Zusammenhang mit Künstlicher Intelligenz zentral sind und setzten sie in Bezug zu Filmszenen aus «Her», «Blade Runner», «Ex Machina» oder «2001 – A Space Odyssey». Ebenso diskutierten wir ethische Fragestellungen bei der Anwendung von intelligenten Systemen (autonom fahrende Fahrzeuge, Pflegeroboter, Killerdrohnen). Besondere Aktualität erhielt die Unterrichtssequenz durch die Veröffentlichung und Weiterentwicklung von ChatGPT.
Als Einstieg ins Thema führten wir mit den Schüler/innen eine vereinfachte Variante des Turing-Tests durch. Dieser Test hat das Ziel, herauszufinden, ob eine künstliche Intelligenz genauso gut denken und agieren kann wie ein Mensch. Dabei kommuniziert ein Mensch via Bildschirm und Tastatur mit zwei Kommunikationspartnern – einem echten Menschen und einem Computerprogramm – und stellt diesen Fragen. Es besteht kein Blick- oder Hörkontakt. Der Mensch, der die Befragung durchführt, muss herausfinden, welcher von beiden Gesprächspartnern der Computer ist. Wenn der Tester nicht erkennen kann, welcher der beiden die künstliche Intelligenz ist, gilt das Computerprogramm als «intelligent».
Wir passten den Turing-Test für die Unterrichtssituation wie folgt an: Allen Schüler/innen wurden die gleichen drei Fragen zugestellt. Sie mussten diese anonym beantworten, ebenso liessen wir ChatGPT diese Fragen beantworten. Die anonymisierten Antworten wurden durcheinander gemischt und per Beamer an die Wand projiziert. Die Schüler/innen erhielten den Auftrag herauszufinden, welches die menschlichen Antworten waren und welche die von ChatGPT. Natürlich erkannten die Schüler/innen, welche Antworten ChatGPT erstellt hatte. Aber nicht, wie man auf den ersten Blick vermuten mag, weil diese einfältiger oder gefühllos waren. Nein, umgekehrt. Die Antworten von ChatGPT waren differenzierter und aussagekräftiger als diejenigen der Schüler/innen. Die Frage dann war, wie dieses Resultat zu bewerten ist.
Im Bereich Virtual Reality durften die Schüler/innen eine Sequenz aus «Half-Life: Alyx» mit einem VR-Headset auskundschaften. Anhand von Texten aus einem Buch des Philosophen und Mathematikers David Chalmers wurde die Erfahrung mit Bezug zu den Bereichen K.I. und Erkenntnistheorie reflektiert und diskutiert.
Ladina Schneider
Lehrperson für Englisch
Das Verfassen von Bewerbungsschreiben stellt eine essenzielle und herausfordernde Fertigkeit dar, welche unsere Schüler/innen erwerben müssen, um angemessen auf die Anforderungen der Arbeitswelt vorbereitet zu sein. Diese Kompetenz kann massgebliche Auswirkungen auf ihren beruflichen Werdegang haben. Es ist von entscheidender Bedeutung, jedoch keineswegs trivial, die passenden Worte im entsprechenden Kontext zu finden. Künstliche Intelligenz (KI) bietet in diesem Bereich Unterstützung. Textbasierte Programme wie ChatGPT sind in der Lage, in kürzester Zeit hervorragend formulierte und perfekt strukturierte Texte zu verfassen. Doch bedeutet dies, dass wir das Verfassen formeller Texte, wie Bewerbungsschreiben, vollständig der KI überlassen können?
Dieser Frage gingen Schüler/innen der Klassen K21a und L21c nach. Sie ließen sich während einer Unterrichtseinheit zum Thema Bewerbungsschreiben von KI unterstützen und reflektierten anschliessend den potenziellen Mehrwert. Einige verfassten ihre Texte eigenständig und liessen sie im Anschluss von ChatGPT korrigieren und überarbeiten. Andere entschieden sich dafür, den Grundtext von der KI verfassen zu lassen und ihn dann anzupassen. Dabei stellten die Schüler/innen schnell fest: Die Arbeit kann nicht gänzlich auf die KI übertragen werden. Es bedarf in jedem Fall menschlicher Einflussnahme. Die KI benötigt klare Anweisungen und spezifische Vorgaben, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen, und selbst dann neigen von KI verfasste Texte dazu, etwas unnatürlich und aufgesetzt zu klingen. Kurz gesagt: Es fehlt der persönliche, menschliche Touch. Gerade in einem Bewerbungsschreiben ist es jedoch von Bedeutung, dass die individuelle Persönlichkeit durchscheint. Ein solches Schreiben soll nicht nur die beruflichen Stationen auflisten – das kann auch ein Lebenslauf -, sondern vielmehr zeigen, wer man ist. Und hierzu ist eine KI heutzutage noch nicht in der Lage.
Bei der Arbeit mit der KI lernten die Schüler/innen jedoch auch das enorme Potenzial dieser Technologie kennen. Sie schätzten, dass das Programm Abwechslung hinsichtlich Wortwahl und Grammatik in ihre Texte einbrachte und diese besser strukturierte. Die KI bietet somit eine solide Grundlage, auf der man aufbauen kann. Am Ende ergibt sich insgesamt ein verbessertes Ergebnis im Vergleich zu einem Text, der ohne die Hilfe der KI verfasst wurde. Die Schüler/innen haben also in besagter Unterrichtseinheit erkannt, dass KI ein wichtiges Werkzeug in der Textproduktion sein kann, jedoch nicht die gesamte Arbeit übernehmen kann. Insbesondere in formellen Bewerbungsschreiben ist die menschliche Komponente entscheidend und kann über eine Einladung zum Bewerbungsgespräch entscheiden.
Peter Kehrli
Lehrperson für Deutsch
Im Deutsch-Unterricht wird in der 4. Klasse des Langzeitgymnasiums im Fach Deutsch die antike Redekunst vermittelt. Ziel ist es, dass die Schüler/innen eine Rede „nach allen Regeln der Kunst“ verfassen können. Teils ist diese Textsorte auch bei der schriftlichen Matura Deutsch im Angebot. Die Rhetorik der Antike ist noch heute massgebend, wenngleich natürlich das Auswendiglernen des Textes („Memoria“) kein zentraler Bestandteil der Unterrichtsarbeit ist. Hingegen das Suchen und Finden von Argumenten schon („Dispositio“). Schon da kann KI als Hilfestellung beigezogen werden und leistet so viel wie die bisherige Google-Recherche. Ich habe mit einer Klasse Erfahrungen darin sammeln wollen, ob KI auch beim Ausformulieren der Rede eine Hilfe sein kann („Elocutio“). Wir waren erstaunt, welche Meisterleistungen ChatGPT in diesem Bereich zu vollbringen imstande war. Wir fütterten der KI eine ausführliche Disposition einer Rede ein, die wir gemeinsam erarbeitet und besprochen hatten. Als Prompt formulierten wir: „Schreibe bitte diese Rede“. In der Textplanung waren auch KI-kritische Teilaufgaben enthalten wie „beende die Rede mit einem Witz“ oder „nenne konkrete Firmen, die ihren Sitz in der Schweiz haben und die im Bereich der Nachhaltigkeit Bedeutendes leisten“. ChatGPT traf die Textsorte genau, der „Sprechstil“ war kohärent und wohlgeformt und selbstverständlich grammatikalisch und stilistisch makellos, die Vorgaben wurden umgesetzt und teils sogar Formulierungen und Fachbegriffe verbessert. Statt der konkreten Beispiele präsentierte ChatGPT eine charmante Formulierung und auch der Witz am Schluss, die Pointe, war recht gelungen. Insgesamt war es eine wertvolle Erfahrung zu erkennen, wie ChatGPT als Co-Autor oder Co-Pilot eingesetzt werden kann und den Schreibprozess unterstützen kann. Zumindest in der Übungsphase. Am Aufsatz selber soll das Redenverfassen nach wie vor ohne KI-Unterstützung stattfinden.