Simone von der Geest
Lehrperson für Deutsch und Geschichte
Urs Fischer
Lehrperson für Geschichte, Religionskunde und Ethik
24. Februar 2022. Seit dem Beginn des Angriffs der Russischen Föderation auf die Ukraine an jenem Donnerstagmorgen ist Krieg, herrschen Tod, Zerstörung, Vertreibung und Leid. Bilder haben sich in unsere Erinnerung eingebrannt. Von schutzsuchenden Müttern und Kindern in U-Bahnhöfen. Von Explosionen. Von Flüchtlingen. Von mutigen Menschen, die sich unbewaffnet russischen Invasionspanzern in den Weg stellten. Von Kampfhelikoptern und Himars-Haubitzen. Von getrennten Familien. Von Leichen in den Strassen von Butscha, Kramatorsk und anderen ukrainischen Orten. Von bombardierten Häusern in Charkiw und anderen ukrainischen Städten, die wir vor diesen Kriegsverbrechen kaum kannten.
Inzwischen tobt dieser Krieg schon mehr als eineinhalb Jahre, mit zehntausenden Toten und Verletzten, unvorstellbaren Kriegsverbrechen, verschleppten Kindern, ausradierten Ortschaften, gebrochenen Dämmen, zerstörter Infrastruktur, immensen Umweltschäden.
An der Kantonsschule Reussbühl war und ist dieser Krieg in Europa präsent. Die Auseinandersetzung mit der Vorgeschichte dieses Krieges, den ins propagandistische Schlachtfeld geführten historischen Rechtfertigungen des Angriffskriegs und den laufenden Entwicklungen sind Bestandteil unseres Geschichtsunterrichts.
Im Rahmen der Herbststudienwoche zur politischen Bildung der 5. Klassen im September 2022 entstand eine Serie von Podcasts unter dem Titel Stimmen aus der Ukraine, in welcher junge Ukrainerinnen und Ukrainer, die in Luzern Schutz gefunden haben, von ihren Kriegserlebnissen berichten. Es lohnt sich, die Geschichten von «Diana» (alle Namen wurden zum Schutz der Jugendlichen verfremdet) über die Zerstörung ihres alten Lebens in Rubischne, von «Kilian» über sein neues Leben in der Schweiz, von «Roland» über seine abenteuerliche Flucht aus Kiew über Butscha und Rumänien in die Schweiz, oder von «Valeria» über das Leben in einer U-Bahnstation in Charkiw anzuhören.
Die Gespräche mit diesen Jugendlichen und die miteinander – zum Teil auch in der Freizeit – verbrachten Stunden, boten den Schülerinnen und Schülern der L20d nicht nur einen vertieften Einblick in die Kriegsgeschehnisse und Schauplätze, sondern eröffneten einen Zugang jenseits der rein intellektuellen Auseinandersetzung mit diesem Thema. Sie entdeckten gemeinsame Interessen, nutzten die Zeit manchmal auch am «Töggelikasten» und fanden Wege, um miteinander – trotz aller Sprachbarrieren – zu kommunizieren. Lernen also auf ganz verschiedenen Ebenen.
Angesichts des unvorstellbaren Schreckens kam die Frage auf, wie wir konkret den Menschen in der Ukraine helfen können. Ein kleines Zeichen der Solidarität setzten wir im April 2022 mit einem Konzert an der Schule. Das Benefizkonzert des Schwerpunktfaches Musik ermöglichte es uns, innezuhalten, nachzudenken und mitzufühlen. Gemeinsam trugen die Schülerinnen und Schüler Friedenslieder von John Lennon, von Pete Seeger und Udo Lindenberg vor und trugen mit ihren Stimmen die Hoffnung in den Lichthof der Kantonsschule Reussbühl. Eigentlich ist es doch so einfach: «Keiner will sterben / Das ist doch klar / Wozu sind denn dann Kriege da?» Lindenbergs Frage entlarvt die groteske Sinnlosigkeit des Krieges. Das Konzert und die Standaktionen mehrerer Klassen in der Woche vor Ostern führten zu Spenden in der Höhe von fast 2’300 Franken zugunsten des Vereins Swiss Help Ukraine.
Wo stehen wir heute zum Zeitpunkt dieses Beitrages? Ukrainische Versuche, die völkerrechtswidrig annektierten und besetzten ukrainischen Territorien zurückzuerobern, blieben bis jetzt erfolglos. Die Regierung der Russischen Föderation unter Präsident Putin scheint nach wie vor verbissen an ihren Zielen festzuhalten, auch wenn sich intern Risse aufgetan haben. Bei uns macht sich Müdigkeit breit. Die mediale Aufmerksamkeit verschiebt sich zusehends. Die grossen Friedensdemonstrationen und Proteste gehören der Vergangenheit an. Was als traurige Tatsache bleibt, sind Tod, Vertreibung, Misshandlung, Terror, Flucht. Nicht nur in der Ukraine, aber auch dort. Dies nicht zu vergessen, sich für die Menschen und ihre Rechte einzusetzen, bleibt eine Aufgabe.